Der Siebenfahrerhof im unteren Sarntal liegt auf knapp tausend Meter, gerade so hoch wie das Dorf Sarnthein. Um den Ersten Weltkrieg war er nach der Dick – dem bedeutendsten sarner Hof unten im Tal – groß und wohlbekannt. Von Siebenfahr sieht man weit hinunter ins »Unterland« südlich von Bozen, an klaren Tagen bis nach Castel Feder.
Der Hof gehörte Georg Kritzinger, einem reichen Mann im Tal, der auch das »Erste Haus am Platze« besaß, den »Schweizerhof« am Kirchplatz, dort, wo heute die Raiffeisenbank ist. Auch die Fietsch, ein Hof im Tal kurz oberhalb dem Wangener Kreisverkehr, hatte dazugehört. Die Landwirtschaft war groß. Wiesen gingen hinunter bis fast ins Tal, etwa die Angerwies, heute Wald. Außenliegende Wiesen wie die waalbewässerte Noagwies am Osterbach oder das Anreuthel unter dem Weg zum Nachbarn Haselbrunn wurden bearbeitet. Das wichtigste waren wohl die Äcker überall. So ein Hof am Berg war – bis auf Salz – autonom; zugekauft werden musste wenig. Selbst die Schuhe, die Knospen, haben sich die Knechte selbst geschnitzt am Samstagnachmittag am Hof, passend zu gekauften Oberleder.
Kritzinger war in finanzielle Schwierigkeiten gekommen. Die Bank verlangte wohl den Verkauf des großen Siebenfahrerhofs. In der Tiroler Tageszeitung war er inseriert. Das las während eines Fronturlaubs von der Dolomitenfront mein sel. Großvater Hödl (geboren in Wilten), vielleicht im Kaffe Kusseth. Schon damals war er vorausschauend, ein »Waldnarr« dazu. Er kaufte den Hof 1917 für 60.000 Kronen, heute etwas mehr als 50.000 Euro. (Am historischen Währungsrecher kann man durch Schieben der Jahreszahl an diesem Beispiel verfolgen, wie stark die österreichische Krone abgewertet hatte.)
Dies ist eine Abschrift des Kaufvertrags vom 22. November 1917, die offensichtlich an Dr. Benedikt Pobitzer, Rechtsanwalt, Bozen, Obstmarkt 8, 1. Stock geschickt worden war, der »Verkaufsbrief Siebenfahr«. Wo man heute eine Fotokopie macht, musste man damals von Hand abschreiben. Briefumschäge, Couverts, waren nicht üblich. Was nicht mit einem Büroboten geschickt werden konnte, wurde kunstvol gefaltet und versiegelt. Was die Rechnereien hinten am Papier bedeuten, weiß ich nicht. Die Kanzlei Pobitzer gibt es noch heute, allerdings nicht mehr am Obstmarkt.
Trotz der ordentlichen Handschrift in deutscher Schrift ist das Dokument nicht leicht zu lesen. Hier hat es mir Marlis Meraner vom Sarner Geschichtsverein in den Computer übertragen, und ich bin ihr sehr dankbar:
Kaufvertrag 22.11.1917
G.Zl. 123/19
Kaufvertrag!
welcher heute zwischen Herrn Georg Kritzinger, Besitzer des Gasthofes Schweizerhof in Sarnthein als Verkäufer einerseits und Herrn Anton Hödl, Oberingenieur der Siemens & Schuckert-Werke in Berlin, dgl. kuk. Hauptmann i.d.R., dessen Ehegattin Frau Marianne geborene Fillunger und Herrn Heinrich Fillunger, dgl. kuk. Leutnant i.d.R. bei der Ersatz-Batterie-Feldkanonen-Regiment N. 28 in Szombathely, Bruder der obigen Frau Marianne Hödl als Käufer anderseitig abgeschlossen wird, wie folgt:
I. Grundb.Einl.Zl 364/I Kat.Gde. Sarntal „Siebenfahrerhof“, erworben auf Grund der Übertragungsurkunde vom 6. Juli 1893 bzw. 18. September 1893 Fol. 3267, Übertragungsurkunde vom 13. April 1902 nachf. 28. April 1903 Fol. 142 Sarntal und vom 1. September 1905 Fol. 3353 Bozen.
a) Kat.Gemeinde Sarntal:
Bp. N. 408 Wohnhaus N. 13 Niederwangen, Hofraum und Wirtschaftsgebäude,
Bp. 1795 Wohnhaus N. 8 Niederwangen, Mühle, Wirtschaftsgebäude, Hofraum und Säge,
Gp. N. 1797 Weide, unproduktiv
Gp. N. 1880 Weide, unproduktiv
Gp. N. 1801 Wald, unproduktiv
Gp. N. 1802 Wiese
Gp. N. 1803 Wiese
Gp. N. 1804 Acker, Langacker
Gp. N. 1805 Weide
Gp. N. 1807 Weide
Gp. N. 1808 Weide
Gp. N. 1810 Garten
Gp. N. 1811 Wiese u. Acker
Gp. N. 1813 Wiese u. Rain
Gp. N. 1814 Weide „unterer Anger“
Gp. N. 1815 Weide „oberer Anger“
Gp. N. 1816 Acker „unterer Lehmacker“
Gp. N. 1817 Acker
Gp. N. 1818 Acker, „oberer“ Lehmacker“
Gp. N. 1820 Weide
Gp. N. 1822 Acker, Rauth
Gp. N. 1823 Anewand
Gp. N. 1825 Anewand
Gp. N. 1827 Acker, Anreutl
Gp. N. 1956 Wald
Gp. N. 8181 Weg
Gp. N. 8182 Weg
Gp. N. 8183 Haselbrunnerweg
Gp. N. 8184 Feldweg
Gp. N. 1795/2 Weide
b) Kat.Gemeinde Wangen:
Bp. N. 219 Sommerstall
Bp. N. 220 Hirtenhütte
Gp. N. 715 Wald „Lentschwald“
Gp. N. 716 Weide, „oberes Lentschwiesl“
Gp. N. 717 Weide
Gp. N. 718 Weide „unteres Lentschwiesl“.
Es verkauft und übergibt hiemit Herr Georg Kritzinger Herrn Anton Hödl und seiner Frau Marianne geborene Fillunger je zu 1/4tel und dem Herrn Heinrich Fillunger zur Hälfte die obbezeichneten Realitäten und diese Käufer kaufen und übernehmen von Herrn Georg Kritzinger die bezeichneten Realitäten zu den genannten Anteilen um den vereinbarten Kaufpreis von ........................................................................................................................................ K 60.000 –
sage: sechszigtausend Kronen. –
II. Auf Abschlag vom Kaufpreise per 60.000 K. wird den Käufern aus
der Hypothekenforderung der tirolischen Landeshypothekenbank per 80.000 K.,
welche simultan auf den Kaufobjekten und anderem, dem Herrn Georg Kritzinger
gehörigen Realitäten haftet, der Teilbetrag im Betrage von
........................................................................................................................................ K. 30.000 –
in deren persönliche
Zahlungsverbindlichkeit in den bestehenden Zins-Zahlungs-Fälligkeits- u.
Pfandrechten mit Zinslauf seit erstem Dezember dieses Jahres überbunden.
Der Verkäufer bekommt, den vom Kaufpreise per .......................................................... 60.000 K.-
verbleibenden Rest per ..................................................................................................... 30.000 K.-
sage: dreißigtausend Kronen von den Käufern bar bezahlt erhalten zu haben und quittiert hierüber.
III. Die Übergabe und Übernahme erfolgt in allen Rechten und Lasten, wie Verkäufer die Realitäten bisher besessen und benützt hat oder zu besitzen und zu genießen berechtigt gewesen wäre, ohne Haftung für Grenzen, Flächenmaß oder eine bestimmte Güte und ohne alle Fahrnisse.
IV. Besitz und Genuß, Wag und Gefahr der Kaufobjekte, sowie alle mit Besitze und Genusse verbundenen Rechte, Pflichten und Lasten übernehmen die Käufer mit dem Tage der Genehmigung dieses Kaufvertrages durch die Grundverkehrskommission, welche Genehmigung eine Bedingung für die Giltigkeit dieses Vertrages ist, die Steuern und Umlagen aber vom ersten Jänner 1918 (achtzehn) an.
Die Käufer nehmen zur genehmigenden Kenntnis, daß die Jagd auf den Kaufobjekten bis 31. Jänner 1918 (achtzehn) verpachtet ist und stellen diesbezüglich gegen den Verkäufer keinerlei Ersatzansprüche.
V. Sämtliche mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages verbundenen Kosten, Stempel und Gebühren, einschließlich der Wertzuwachssteuer sowie diejenigen Kosten, welche mit der Erwirkung der Zustimmung der tirolischen Hypothekenanstalt zur Pfandabstehung bezüglich des nicht überbundenen Teiles der Forderung dieser Anstalt verbunden sind, tragen die Käufer aus Eigenem.
VI. Der Verkäufer verpflichtet sich, die Kaufsobjekte von allen anderen etwa darauf haftenden, oben nicht überbundenen Hypothekenschulden ungesäumt auf eigene Kosten freizustellen und sich hierüber über Verlangen der Käufer mittels gerichtlichen Grundbuchsauszuges auszuweisen.
VII. Beiderseits wird auf die Anfechtung dieses Vertrages wegen
Verletzung über die
Hälfte des wahren Wertes
verzichtet.
VIII. Der Verkäufer bewilligt, daß auf Grund dieser Urkunde auf den Grundbuchskörper der Einl.Zl. 364/I Kat.Gemeinde Sarntal das Eigentumsrecht für Anton Hödl u. Marianne Hödl geb. Fillunger je zu 1/4tel und für Heinrich Fillunger zur Hälfte einverleibt werden kann.
Georg Kritzinger m.p.
Anton Hödl m.p.
Heinrich Fillunger m.p.
Marianne E. Hödl m.p.
– Soviel im Vertrag. m. p. bedeutet unterschrieben mit eigener Hand, manu propria.
Link hierher https://bit.ly/fj3mxwfrV
= https://sarnerblog.blogspot.com/2021/11/wie-der-siebenfahrerhof-in-fremde-hande.html
Kaufvertrag auch auf www.Siebenfahr.com/Siebenfahr-
Bei mir u.a. auf Bilder\202110Hof
Unser Wald in Südmähren, den Großvater 1941 gekauft hat:
http://www.joern.de/hoedl.htm#Pitin
Dieser Wald wurde – wie unser gesamter Besitz in Mähren – uns Heimatvetriebenen gestohlen. Irgendeinen Ersatz oder eine Entschuldigung hat es nie gegeben.
Großvater schrieb seine Memoiren am Siebenfahrerhof auf seiner Schreibmaschine aus Brünn: www.Joern.De/Hoedl.htm