Freitag, 8. November 2019

ORF-Film »Ein Tiroler Bergbauer«

2. Film 13:18 https://youtu.be/e5Gzx-c2oiU?t=798
Dieses Bild aus der Vorkriegszeit vom Pflügen auf Siebenfahr (oben auf der »Raut«) ist das einzige Foto, das ich kenne, das noch den Göpel (»Göbbel«) oberhalb des Stadls zeigt, das Gebäude rechts oben, von dem heute nur die Mauer zur ebenen Bodenfläche geblieben ist. Wir fuhren als Kinder dort noch Karussell. Dann kam 1949 Strom. – Woher stammen diese Bilder, wer hat sie? Für gewöhnlich hat meine sel. Großmutter fotografiert. Weitere Bilder unten.



Wann diese Fernsehsendung über den Äther kam, weiß ich nicht. Ein Ende und ein ordentlicher Absapann sind auch nicht dabei. Trotzdem bin ich froh, dass der Film im Netz ist. Normalerweise verschwinden historische Dokumente dank modernem Copyright auf Nimmerwiedersehen, wenn sich nicht jemand darüber hinwegsetzt.
   Der erste Teil des Films spielt auf Siebenfahr, am Siebenfahrerhof, richtig vormals Siebenförcher, ganz falsch aber heutzutage auch amtlich Settecarri. Wir sind seit 1909 die Besitzer. Seit damals ist der Hof verpachtet. Die Geschichte des Hofes ist im Netz leicht zu finden, etwas gedrängt auf http://www.Joern.com/Siebenfh.htm (h=Historie), demnächst schöner. Pächter beziehungsweise dauernde Bewohner des Siebenfahrerhofes waren unter Hödl von 1926 bis Ende Oktober 1943 für 2500 Lire im Jahr Karl Kofler (an Ziegen durfte er laut Vertrag höchstens zwanzig halten), danach bis zum 2. November 1954 sein nicht »ins Reich« abwandernder entfernter Verwandter Alois (Louis, Luis) Kofler (vom Schusterhof gegenüber stammend) auf Halbpacht.
   Weil ich selbst den Hof seit 1946 kenne, will ich ein paar Kommentare zum Film machen.
   Der Film  muss großteils zwischen 1964 und 1987 dort gefilmt worden sein, weil noch die Zufahrt über die Straße auf der Sonnseite zu sehen ist. Es sind aber auch ältere Bilder im Film.
   Der Film ist – wie das inzwischen so ist – mit Gefühl durchsetzt. Erinnerungen sind so. Das will ich auch gar nicht beanstenden. Die Abwanderung der Familie Kofler ist mir sehr verständlich, allerdings nicht wegen dem Wassermangel und der schlechten Wasserqualität, sondern weil die »Option« für deutschnational fühlende junge Südtiroler ein Weg war, gleich zu Besitz »im Reich« zu kommen.
   Nach dem Krieg jedenfalls hatten wir eine Holzwasserleitung vom Brandtler oberhalb von Haselbrunn, in die auch eigenes Wasser aus der Quelle am Vorderen Stall eingeleitet worden war. Auf Brandtler, der nach einem Brand zu Haselbrunn gehört, gab und gibt es genug Wasser. Nur im Winter musste man unten vom »Winterwasser« auf der Angerwies Wasser holen, und das beschreibt Klaus Kofler im Film. In einem Winter stapfte auch ich dort durch den Schnee um Wasser. Heute sind die Winter viel milder, und eine Holzwasserleitung haben wir längst nicht mehr …
   Die Option.  Die historische Landkarte mit den »Umsiedlungen des Führers« (klickbar) zeigt, dass Hitler Südtirol zugunsten der Italiener ethnisch säubern wollte, doch: »Nach Mussolinis Sturz erfolgte im September 1943 die deutsche Besetzung Norditaliens und die De-facto-Angliederung Südtirols als Operationszone Alpenvorland beendete die Auswanderung.[19]« (Wikipedia).
   Koflers wanderten im Oktober 1943 aus. Sie bekamen eine Hof in Nordtirol.

Vergrößert sieht das so aus:
Die Südtiroler sollten sozusagen mit einem »feschen Heil-Hitler« ab nach Norden wandern, »heim ins Reich«. Heim? Für eingesessene Südtiroler Bauern war das kein verlockendes Angebot – zumal manche bis ins Warthegau versetzt wurden und dann erst recht noch einmal fliehen mussten, vor den Russen. Für landwirtschaftliche Pächter, für Knechte und Mägde – sofern die etwas zu sagen hatten damals – war das eine verlockende »Option«. Dazu kam das »Deutschtum«, der Nationalismus, beim einen mehr, beim anderen weniger. Ich kann das nicht vertiefen, ich kann mir das nur vorstellen. Vielleicht lesen Sie https://www.fernsehserien.de/verkaufte-heimat/folgen/02-leb-wohl-du-mein-suedtirol-1056515

Nun zum Film. Im ersten (aus irgendeinem Grund abgetrennten) Teil von 18½ Minuten geht es um das Leben auf Siebenfahr in Südtirol, der zweite zeigt die Emigration nach und in Nordtirol:
   Koflers hatten 19 Kinder, der jüngste, Toni Kofler, 29 Jahre jünger als der älteste, Klaus Kofler.
   Ich gehe auf einzelne Szenen ein.
• Minute 3 und 58 Sekunden, https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=238
»den abgelegensten Bauernhof« – So »abgelegen« war der Siebenfahrer nie: wir haben sogar noch zwei Nachbarn weiter oben (Haselbrunn und Schlögg), früher sogar noch einen Dritten (Lentsch) und einst einen fünften, Brandtler. Ein steiler Karrenweg führte unterhalb der Kurve (mit der heutigen Abzweigung zum Locher) auf der Sonnseite von der Staatsstraße rund 150 Höhenmeter (?) zum Hof hinauf. Über den Fuchssteig kommt man von der Tanzbachbrücke in einer Viertelstunde direkt steil hinauf zum Hof, je nach »Fitness«.
• 4:08 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=248
 » … schafft das Unwahrscheinliche: Sie überleben!«. Das klingt etwas dramatisiert.
•  Klaus Kofler spielt und singt »Leb wohl, mein schönes Südtirol, der deutschen Freiheit leuchtendes Symbol« – von Freiheit konnte da keine Rede sein, die Südtiroler sollten ganz Italiener werden oder abwandern.
• 5:59 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=359 Koflers hatten 19 Kinder, der jüngste, Toni Kofler, 29 Jahre jünger as der älteste, Klaus Kofler.
• 8:35 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=515 Entlauben von Bäumen war auch noch nach dem Krieg angesagt, ich erinnere mich an das »Schnarteln« der Linden unter dem (jetzigen) Zufahrtsweg. Allerdings nur für Streu, nicht als Futter.
• 10:29 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=629 »Einer der Hauptgründe, warum wir von dem Hof weg sind, war das Wasserproblem«. Der Hof liegt auf einem Moränenhügel, und Wasser ist wirklich ein Problem. Wir bringen es über vier Kilometer weit von der Schattseite her.
   Nach dem Krieg, »zu meiner Zeit«, hatten wir eine Holzwasserleitung vom Nachbarn her, von den reichlichen Quellen auf Brandtler, das zu Haselbrunn gehört. Ich erinnere mich noch an das Bohren möglichst langer Bäume, eine Kunst. Wir Kinder wurden immer wieder, wenn zum Beispiel nach einem Steinschlag das Wasser ausblieb, den bequem steigenden Weg neben der Wasserleitung hinauf geschickt, um die – natürlich oberirdische – Leitung zu flicken. Wann diese Holzwasserleitung entstanden ist, weiß ich nicht.
   Im Film wird die Quelle unter dem Hof gezeigt, unser »Winterwasser« auf der vormaligen Angerwies, etwa fünfzig Höhenmeter unterhalb vom Hof. Sie läuft noch immer.
   Die schwerste Arbeit für das Pferd war das alljährliche Steinekarren unten von steilen Äckern wieder nach oben, weil Regen und Pflügen die Erde immer hinunterzu geworfen haben.
• 12:38 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=758 Auswandern.
• 13:03 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0?t=783 Die schwarzweiße Auszugsszene mit 17 Personen muss viel später, nach dem Krieg, nach 1946, gedreht worden sein und von Farbe auf schwarzweiß gewandelt worden sein, denn die steinernen Treppen zur Haustür (und Filmkameras) gab’s erst viel später für den Hausgebrauch. An der gezeigten, aufgefrischten Ornamentik über der Tür habe sogar ich schon »mitgearbeitet«. Ich erinnere mich, wie wir Schablonen ausschnitten.
   Ebenso ist’s natürlich mit den Eisenbahnzügen. Auch vor dem Krieg war die Brennerstrecke schon elektrifiziert (mit speziellem Drehstrom und je zwei Oberleitungen!). Und es gab Wagen dritter Klasse. Schön gemacht ist’s trotzdem, obwohl eigentlich anachronsistisch.

Zum zweiten Teil habe ich wenig zu sagen, spielt er doch in Nordtirol. Interessant das Brotbacken und Essen, der Eigenbau der »Knospen«. Das war auch auf Siebenfahr so.

Nachwort: Großvater musste von Karl Kofler die mitgenommene Glocke zurückkaufen. Sie ist jetzt wieder am Hof und immer noch am Hausdach.

 

Großvater ist übrigens hier der Mann im weißen Hemd, mein’ ich, die Talfer noch unreguliert:
2. Film 13:21 https://youtu.be/e5Gzx-c2oiU?t=801 Auf dem unteren »Lehen«

2. Film 13:36 https://youtu.be/e5Gzx-c2oiU?t=816
Das Heu (oder Grummet, Pofel … ) wurde am Einachser-Pferdewagen so gepackt und am Ende mit einem Balken niedergedrückt (»Wiesbaum«, den der Bauer gerade bringt). Dann wurde der Balken mit gezöpften Ledergurten (»Heuseilen«) heruntergespannt. Solange hat man das hangoberseitige Rad abgesteckt und unter das untere gelegt, um den Wagen etwas ebener stehen zu lassen.
   Der Film endet dann abrupt, vielleicht um schon den Abspann auszublenden.

   Links
• zu Teil 1 https://youtu.be/yJE_OcTVVa0
• zu Teil 2 https://youtu.be/e5Gzx-c2oiU
• Im 2. Teil: Knospen (Holzschuhe) machen https://youtu.be/e5Gzx-c2oiU?t=348 
 zu anderen Filmen:
• Dengeln, Wildheu https://youtu.be/pxWcRnNhOdY
• Ofenbau https://youtu.be/W_-HMu9Jifg
· »Ich steh’ auf Bergbauernbuam« https://youtu.be/D6EzUpOj4KU
· Videos des Tourismusvereins https://www.sarntal.com/de/das-sarntal/zum-stoebern/videos.html
• Siebenfahrgeschichte, neue Homepage, auch für Smartphones https://siebenfahr.ch/geschichte/ 
• Siebenfahrhistorie, alte Darstellung http://www.joern.de/siebenfh.htm
Michel Sibenuorher, 9.3.1470, mehr auf http://www.joern.de/siebenfh.htm
• Vor 1950 am Hof http://www.joern.de/hof1950.htm mit einem Bild aus der Stube vom Brotbacken 1939 und weiteren Links
• Parzellen und Flurnamen Siebenfahr http://www.joern.de/HofparzellenG.jpg
• Mein normaler Blog, Blogabissl, beschäftigt sich immer wieder mit dem Hof, zum Beispiel auf https://blogabissl.blogspot.com/2010/08/

Link hierher http://j.mp/2CrDz0m
 = https://sarnerblog.blogspot.com/2019/11/orf-film-ein-tiroler-bergbauer.html

Fritz Jörn, Fritz@Joern.De, Freitag, 8. November 2019
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